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Die Ereignisse in Hadersdorf am Kamp am 6. und 7. April 1945

Ein Jahr später: Exhumierung der Ermordeten

Zwei Jahre später: Der Prozess gegen einige Verantwortliche

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Die Ereignisse am 6. und 7. April 1945 in Hadersdorf am Kamp

6. April 1945
Die Rote Armee steht vor den Toren Wiens. Dort beginnt man mit der Freilassung politischer Häftlinge. Auch in der Männerstrafanstalt Stein an der Donau warten 1800-1900 Häftlinge auf ihre Freilassung. Ein großer Teil von ihnen sind politische Häftlinge, verurteilt weil sie Auslandssender hörten, schwarz schlachteten oder aktive Widerstandskämpfer waren. Neben Österreichern sind auch viele Tschechen, Slowaken, Franzosen, Deutsche, Kroaten, Slowenen, Polen und Griechen inhaftiert.

Die Front rückt näher und die Lebensmittel in der Strafanstalt werden knapp. Unter diesem Eindruck entschließt sich der Leiter des Gefängnisses Dr. Franz Kodré, ausgestattet mit einer Ermächtigung des Regierungsrates Gruber, Gefangene zu entlassen und das Gefängnis zu räumen.

6.00 Uhr
Ein Häftlingskomitee wird gebildet, es soll den reibungslosen Ablauf der Räumung gewährleisten. Mit Unterstützung einiger Beamter der Gefängnisverwaltung beginnt die Verteilung der persönlichen Gegenstände und der Zivilkleidung an die Gefangenen.

10.00 Uhr
Es sind schon einige hundert Häftlinge zur Entlassung gebracht worden. Sie verlassen die Anstalt in kleineren Gruppen. Viele von ihnen marschieren Richtung Wien - entlang der alten Reichsstraße, die ihren Weg entlang der Bahnlinie nimmt und bei Hadersdorf den Kamp quert.

13.00 Uhr
Um die Mittagszeit treffen die ersten Freigelassenen in Hadersdorf am Kamp ein. In der Nähe des Bahnhofs treffen die Männer auf Josef Sumetzberger, Ortsbauernführer und Organisationsleiter der NSDAP-Ortsgruppe Hadersdorf. Sie fragen ihn nach dem kürzesten Weg nach Wien.
Sumetzberger alarmiert die im Ort einquartierte Waffen-SS-Einheit 61 durch seine Meldung, dass er aus der Strafanstalt entlassene Häftlinge gesehen hat, die SS arretiert die erste Gruppe der Freigelassenen.

Änderungen in Stein
Mittlerweile hat sich die Lage in der Strafanstalt Stein gründlich geändert. SS, SA und Volkssturm haben unter den noch verbliebenen Häftlingen ein Massaker veranstaltet. Auch der Anstaltsdirektor Kodré und weitere für die Entlassung maßgeblich Verantwortliche sind hingerichtet worden. Der NSDAP-Kreisleiter Anton Wilthum hat beschlossen, alle bereits auf freiem Fuß befindlichen Häftlinge zu verfolgen.

Am Nachmittag
Edmund Huber, Kreisstabsamtsleiter stellvertretender Ortsgruppenleiter der NSDAP-Dorfzelle Hadersdorf, übermittelt Wilthums Befehl an den Ortsgruppenleiter Oberlehrer Richard Kuen, der für die folgenden Festnahmen sorgt.
Die Ergriffenen werden zunächst im Wirtschaftshof des Gasthauses Hohlnstein (hier befand sich früher vermutlich eine Synagoge) untergebracht. Ihre Zahl steigt ständig, da weitere Gruppen aus Stein in Hadersdorf und den Nachbarortschaften eintreffen.

17.00 Uhr
Zehn weitere ehemalige Häftlinge sind in Engabrunn dem lokalen Volkssturm in die Hände gefallen, der Gendarmerie Rayons-Inspektor Karl Stöger eskortiert sie nach Hadersdorf, wo man sie zu den anderen Häftlingen sperrt.

19.00 Uhr
Die zu diesem Zeitpunkt etwa 40 Festgehaltenen werden vom Gasthaus Hohlnstein in den, für diese Personenzahl viel zu kleinen, Gemeindekotter (hier befinden sich heute Gemeindeamt, Post und Kameradschaftsbund) überstellt. Die Bewachung während der Nacht übernimmt der Hadersdorfer Volkssturm unter der Leitung des Kaufmannes Franz Pammer.

7. April, 13.00 Uhr
Vom Telefon im Geschäft des Volkssturmführers Franz Pammer aus führt Gaustabsamtsleiter Edmund Huber ein Gespräch mit der NSDAP-Kreisleitung. Dabei erhält die NSDAP-Ortsgruppenleitung Hadersdorf den Befehl, dass die festgehaltenen ehemaligen Stein-Häftlinge durch die vor Ort liegende SS zu erschießen seien. Ortsgruppenleiter Kuen leitet den Erschießungsbefehl an den zuständigen SS-Führer weiter.

13.45 Uhr
Ortsgruppenleiter Kuen übergibt die Häftlinge an die SS. Die Gefangenen werden aus dem Arrest getrieben und müssen auf dem Hauptplatz antreten. Man verteilt Spaten und Schaufeln an sie, dann setzt sich der Zug quer durch den Ort zum etwas außerhalb gelegenen Friedhof in Marsch. Die Gefangenen erleiden auf diesem Weg laufend Misshandlungen durch die Angehörigen der SS.
Den Platz, an dem die Erschießung stattfinden soll, hat Ortsbauernführer Josef Sumetzberger der SS gezeigt, er stellt auch bereits vor der Tat einen Sack Kalk zur Verfügung. Neben ihm begleiten auch Edmund Huber und Richard Kuen den Todeszug.

14.30 Uhr
An dem vorgesehenen Exekutionsplatz an der Friedhofsmauer wird eine etwa zwei mal acht Meter große Fläche abgesteckt. Die SS zwingt die Gefangenen hier ihr eigenes Massengrab auszuheben. Sie müssen einander während dieser Arbeit abwechseln, werden beschimpft und mit Fußtritten, Faustschlägen und Hieben mit den Gewehrkolben traktiert. Ein Grieche, der durch die andauernde Misshandlung schon stark geschwächt ist, bricht unter einem Kolbenhieb, der gegen seinen Kopf geführt wurde, zusammen. Auf den Befehl "umlegen" wird er aus der Grube gezogen und als Erster abseits erschossen.
Franz Fuchs, ein Wiener Kommunist, gibt sich geistesgegenwärtig gegenüber einem SS-Führer als Wirtschaftskrimineller aus: „Ich habe Reichskleiderkarten verkauft“ erklärt er. Das rettet ihm das Leben, er wird zurück in die Strafanstalt geschickt, seine Aufzeichnungen dienen später maßgeblich der Aufklärung des Massenverbrechens.

16.00 Uhr
In diesem Augenblick tauchen auf dem Hadersdorfer Hauptplatz drei weitere ehemalige Häftlinge aus Stein auf. Man bringt sie in Begleitung von Richard Kuen zur Erschießung auf den Friedhof und übergibt sie auf halbem Weg an Wachposten der SS.

16.30 Uhr
Auf dem Hügel, der sich aus der Aushuberde gebildet hat, wird ein Maschinengewehr in Stellung gebracht. Insgesamt einundsechzig Menschen werden an diesem Nachmittag am Friedhof von Hadersdorf am Kamp erschossen. Nur wenige Tage später befreit die Rote Armee den Ort.

Quelle: Alexander HORACEK / Katharina MOSER, „Zur Erschießung von 61 Menschen in Hadersdorf am Kamp am 7. April 1945“, Seminararbeit zum Forschungsseminar aus österreichischer Geschichte: „Nationalsozialistische Massenverbrechen zu Kriegsende 1945 in Österreich“, Wien 1994

[ >> download der Seminararbeit [PDF, 33 Seiten, 0,5MB] ]

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