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Die Ereignisse in Hadersdorf am Kamp am 6. und 7. April 1945

Ein Jahr später: Exhumierung der Ermordeten

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Schatten der Vergangenheit über Spoerris Museum

26/06/2009 Tages-Anzeiger   

Der Schweizer Künstler Daniel Spoerri hat im österreichischen Hadersdorf ein neues Museum eröffnet. Nun soll er Stellung beziehen zum düstersten Kapitel der Gemeindegeschichte.

Von Bernhard Odehnal, Wien

Es war eine beeindruckende Eröffnung. Daniel Spoerri persönlich führte vergangenen Freitag die Ehrengäste durch sein neues Museum in der niederösterreichischen Gemeinde Hadersdorf am Kamp. Ein Wiener Museumsdirektor philosophierte über den «neu gedachten Ort der Kunst», Niederösterreichs Landesfürst Erwin Pröll lobte die «Bereicherung unserer Kulturszenerie». Nur die drei jungen Männer vor den Toren des Spoerri-Museums passten nicht zur feierlichen Stimmung. Auf dem Boden hatten sie ein Transparent mit Fussspuren ausgebreitet, dazu verteilten sie Flugblätter mit dem Titel «über Geschichte hinweggehen». Die «Foot-Art-Performance» wolle die «Kontinuität der Erinnerungsverweigerung an die Opfer des Nationalsozialismus» aufzeigen. Die meisten Gäste fanden das zumindest interessant, nur Hadersdorfs Bürgermeister Bernd Toms fühlte sich gestört. Ausser sich vor Zorn, bedrängte der Politiker der konservativen Volkspartei (ÖVP) zuerst einen Kameramann, dann schmiss er wütend ein Flugblatt zu Boden. Das seien alles «inszenierte Störversuche von Kommunisten», sagt der Bürgermeister später am Telefon zum «Tages-Anzeiger»: Er lasse seine Stadt nicht in Geiselhaft nehmen und sich selbst nicht zum Faschisten stempeln: «Wer das macht, ist selbst ein Faschist.»

Massaker an 61 Gefangenen

Was hier vor dem neuen Spoerri-Museum so emotional ausgetragen wurde, war ein neues Kapitel in einem alten Streit um den dunkelsten Moment in der Geschichte der 70 Kilometer nordwestlich von Wien gelegenen Weinbaugemeinde. Als das NS-Regime im April 1945 bereits in den letzten Zügen lag, liess in der Donaustadt Krems der Gefängnisdirektor sämtliche politischen Gefangenen frei. 61 Freigelassene wurden auf dem Weg nach Wien in Hadersdorf von einem Bauern an die SS verraten. Die Gruppe wurde wieder verhaftet, mithilfe von Bewohnern des Ortes festgehalten und am nächsten Tag exekutiert. Vor ihrer Ermordung mussten die Opfer noch selbst ihre Gräber schaufeln.

Gemeinsam mit Historikern versucht der Enkel eines Ermordeten nun seit einiger Zeit, in Hadersdorf ein Mahnmal zu errichten. Doch im Ort stiess Gerhard Pazderka auf Ablehnung: Man solle die Vergangenheit ruhen lassen, war der Tenor. «Die Leute wollen nix mehr davon hören», sagt Bürgermeister Toms. Im Februar 2009 wurde dann doch eine Gedenktafel eingeweiht, allerdings am Friedhof und nicht im Ortszentrum und ohne Hinweis, dass die Ermordeten politische Gefangene waren.

Selbst ein Flüchtling

Als Pazderka hörte, dass Daniel Spoerri, der als Kind selbst vor den Nazis aus Rumänien in die Schweiz flüchten musste und dessen Vater in einem KZ ermordet wurde, in Hadersdorf ein Museum bekommen sollte, suchte er sofort den Kontakt zu dem Künstler. Er scheiterte aber an Spoerris Pressesprecherin: Sie habe ihm gesagt, dass schliesslich überall etwas passiert sei, da könne man ja nirgends hingehen, erinnert sich Pazderka. Pressesprecherin Kati Krusche spricht hingegen von einem Missverständnis und vom grossen Termindruck vor der Eröffnung: «Aber mittlerweile haben wir uns informiert.»

Gerhard Pazderka findet, dass sich Daniel Spoerri mit der dunklen Vergangenheit Hadersdorfs künstlerisch auseinandersetzen müsse. Das sei der Künstler dem Ort schuldig, in dem er ein Ausstellungshaus und ein Esslokal bekam. Gestern fand ein erstes Gespräch mit Spoerris Managerin statt, Pazderka führte sie auch an den Ort des Massenmordes: «Vielleicht bringt uns das ein Stück weiter.» Für Bürgermeister Toms hingegen ist «der Zug abgefahren: Ein Denkmal bekommen die nicht». Ärgern muss sich der Hadersdorfer Lokalpolitiker noch immer: «Da haben wir so ein schönes neues Museum, und dann stören diese selbst ernannten Vergangenheitsbewältiger.»

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